Netzwerk bietet Beratungen an Psychische Erkrankungen nehmen extrem zu
Bad Segeberg (ohe). „Nehmt Hilfe an. Lasst euch beraten“, mit dieser Botschaft wendet sich Dr. Sylvia Hakimpour-Zern, Leitung des Fachdienstes Sozialpsychiatrie und Gesundheitsförderung beim Kreis Segeberg, an alle Kinder und Jugendlichen. Schon bei Kindern im Grundschulalter zeigt sich eine spürbare Steigerung von Störungen sozialer Funktionen und eine Zunahme von Entwicklungsstörungen. Bei Schulkindern im Alter zwischen zehn und 14 Jahren nahmen vor allem stationäre Behandlungen aufgrund von Depressionen (plus 27 Prozent), Angststörungen (plus 25 Prozent) und Essstörungen (plus 21 Prozent) zu. Das zeigt der aktuelle Kinder- und Jugendreport 2022 der DAK.
„Die Situation ist alarmierend“, meint Dr. Sylvia Hakimpour-Zern. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen aufgrund psychischer Probleme hat bei Jugendlichen um 42 Prozent zugenommen. Mit präventiven Projekten und Beratungsangeboten möchte ein Netzwerk von Akteurinnen und Akteuren helfen. „Unser Ziel ist es, die Hemmschwelle von Kindern, Jugendlichen und deren Familien abzubauen und sich Beratung und Hilfe bei uns zu holen“, sagt Dr. Sylvia Hakimpour-Zern.
Beratungsangebote gibt es im Kreis Segeberg einige. So bieten Jugendamt, Gesundheitsamt, der Deutsche Kinderschutzbund Segeberg, der Jugendhilfeträger Iuvo und die Kontakt-und Informationsstelle für Selbsthilfe (KIS) Beratungen an. „Es ist egal, an wen man sich wendet. Alle helfen und vermitteln gegebenenfalls weiter“, sagt Bianca Wollmer, Leiterin des Jugendamtes Ost.
Gefühlt bleibt die Schwellenangst bei den Betroffenen dennoch hoch. Oft schätzen Eltern ihre Situation als nicht so schlimm ein und glauben daher, keinen Anspruch auf Beratung zu haben. „Wer sich Hilfe holt, tut sich etwas Gutes“, meint Silvia Neeth, Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes Segeberg. Für viele ist psychische Beratung nach wie vor ein Tabuthema. „Es hilft, wenn Prominente über ihre Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen berichten“, sagt Dr. Sylvia Hakimpour-Zern. Das tat unter anderem der Sänger Wincent Weiss. Bei seinem Konzert am Kalkberg berichtete er über seine Depressionen und die erfolgreiche Therapie.
Mit den Projekten „Heldenherzen“ und „Verrückt? Na und!“ wenden sich die Akteure an Schüler und Schülerinnen. Anja Andresen war selbst betroffen. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin erzählt sie an weiterbildenden Schulen ihre persönliche Erfahrungsgeschichte und macht Mädchen und Jungen Mut, sich so früh wie möglich Hilfe zu holen. Das Projekt Heldenherzen wendet sich an Grundschulen. Bianca Wollmer bedauert, dass einige Schulen nach zwei Corona-Jahren vor allem daran denken, Versäumtes aus dem Lehrplan aufzuholen. Die Präventivprojekte würden daher vermindert angefragt.
Sorge bereitet Dr. Sylvia Hakimpour-Zern das zu geringe Angebot stationärer Einrichtungen. Psychisch Kranke müssten sechs bis sieben Monate auf einen Platz warten, schildert sie die Situation. Die Wartezeiten versuchen Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen durch eigene Angebote zu überbrücken. „Das funktioniert ganz gut“, meint Sabine Ivert-Klinke, Ansprechpartnerin Kontakt-und Informationsstelle für Selbsthilfe (KIS).