Abitreffen an der Dahlmannschule nach 70 Jahren: „Wir hatten eine schöne Schulzeit“
Bad Segeberg (kf). Mit der stolzen Gesamtnote von 1,0 überreichte Timm Emser, Schulleiter der Dahlmannschule in Bad Segeberg, gleich neun mal ein Abiturzeugnis der besonderen Art.Denn alle Absolventen hatten ihr Abitur 1954, also bereits vor stolzen 70 Jahren, an der Dahlmannschule bestanden. Dreimal Note Eins gab es für Durchhaltevermögen, Verbundenheit zur Schule und gelebte Klassengemeinschaft. Regelmäßig treffen sich die betagten ehemaligen Abiturienten, die heute alle zwischen 88 und 90 Jahre alt sind, an ihrem Gymnasium, um sich an ihre damalige Schulzeit und vor allem an die Lehrer zu erinnern. „Diese waren Autoritätspersonen und haben uns maßgeblich geprägt“, sagt Hartmut Roß, der ebenfalls Lehrer geworden ist.
Alle Ehemaligen haben ihre ganz eigene Geschichte zu erzählen. Heinz Jakubeit kam als Flüchtling aus Ostpreußen, hatte beide Eltern in Hinterpommern verloren, wuchs im Kinderheim auf und erzählt von Hunger in den Nachkriegsjahren. Die schwierigen Zeiten hätten ihn aber gestärkt für das Leben, sagt er und vergleicht sich mit den heutigen Schülern. Jakubeit treibt die Frage um, warum die heutigen Schüler seiner Meinung nach alles hätten und doch nicht belastbar seien. „Wir hatten durch den Krieg auch Jahre ohne Unterricht“, zog er den Vergleich zur Corona-Pandemie.
Von all diesen Sachen möchte Usch Guse nicht mehr so viel reden. „Wir hatten eine schöne Schulzeit“, betont sie. Zusammen mit 62 anderen Schülern besuchte auch Usch Guse die Flüchtlingsklasse A3 an der Dahlmannschule. Die Zusammenführung der Schüler unterschiedlicher Herkunft sei damals nicht immer einfach gewesen, erinnert sie sich. „Die Einheimischen waren etwas Besonderes, wir Flüchtlinge wurden geduldet“, sagt sie. Über eine Einladung zum Geburtstag ihrer einheimischen Klassenkameradin Renate Holz habe sie sich deshalb damals umso mehr gefreut.
Vor 70 Jahren war es alles andere als selbstverständlich, das Abitur zu machen. Entscheidend war, ob die Eltern tolerierten, dass man weiter zur Schule ging. Denn oftmals mussten die Kinder möglichst schnell mit Geld verdienen. Usch Guse zitiert ihren Vater von vier Kindern: „Ich kann euch nichts geben, wir haben alles verloren, ich kann euch nur Bildung schenken.“
1954 waren es fünf Prozent des Jahrgangs, die Abitur machten. Lehrerin Sigrid Gröhn ergänzt, dass auch nur fünf Prozent eines jeden Geburtsjahrgangs überhaupt zum Abitur zugelassen wurden.
„Jungs hatten dabei Vorrang, Mädchen mussten zurücktreten und durften auch nur studieren, was die Jungs übrig ließen“, erzählt Usch Guse aus einer anderen Zeit. Nicht selten waren Schulen zu Lazaretten umfunktioniert, bei Usch Guse wurde auch mal im Kino unterrichtet. „Grundsätzlich hat nicht immer Unterricht stattfinden können“, erzählt Dr. Peter Becker von sogenannten Aussetzern. Manchmal wurden auch nur drei Stunden unterrichtet“, erzählt er.
1954 bestanden 21 Schüler ihr Abitur an der Dahlmannschule. 14 mit sprachlichem Schwerpunkt, davon sieben Mädchen und sieben Jungen. Die anderen sieben Jungen absolvierten den Schwerpunkt Naturwissenschaften.
In drei Jahren feiert die Dahlmannschule ihr 100-jähriges Bestehen und Timm Emser sowie Sigrid Gröhn, die mit dem Ehemaligenbeauftragten Thorge Endrigkeit dazu an einer Chronik arbeitet, hoffen auf Unterstützung des Abijahrgangs 1954 mit ihren vielen Geschichten. Das erste Abitur legten übrigens sieben Schüler 1928 an der Dahlmannschule ab.
